Tourismusausschuss: Debatte über Nachhaltigkeitsziele der Kreuzfahrtindustrie
Die Kreuzfahrtbranche sieht sich auf einem guten Weg, ambitionierte Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Sowohl bei der verstärkten Landstromnutzung als auch bei der Entwicklung nachhaltiger Schiffskraftstoffe seien deutliche Fortschritte zu erkennen.
Dies machten die Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Fluss- und Hochseekreuzfahrtunternehmen am 21. September 2022 während einer öffentlichen Anhörung des Tourismusausschusses zum Thema Fluss- und Hochseekreuzfahrten deutlich.
Sönke Diesener vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) befand hingegen, dass Umwelt- und Klimaschutz noch immer nicht im Vordergrund bei Schiffsbetrieb und -neubau der Kreuzfahrtunternehmen stünden. Schweröl sei weiterhin der Treibstoff der Wahl für das Gros der Bestandsflotten, sagte der Nabu-Vertreter.
Als Sachverständige der Kreuzfahrtbranche wurden Wybcke Meier (TUI Cruises), Felix Eichhorn (AIDA Cruises), Michael Ungerer (MSC Cruises), Helge Grammerstorf (CLIA Deutschland) und Dr. Sascha Gill (IG RiverCruise) von den Mitgliedern des Ausschuss ins Paul-Löbe-Haus eingeladen. Etwa 20 bis 30 Gäste verfolgten die zwei Frage- und Antwortrunden von der kleinen Zuschauerempore.
„Kreuzfahrtindustrie will weg vom Schweröl“
Helge Grammersdorf, Direktor von CLIA Deutschland, der deutschen Vertretung beim Weltverband der Kreuzfahrtindustrie, sagte, bereits heute seien fast 40 Prozent der weltweiten Kreuzfahrtkapazitäten für den Anschluss an Landstrom ausgerüstet, während jedoch nur zwei Prozent der Häfen der Welt über mindestens einen Kreuzfahrt-Liegeplatz mit Plug-in-Möglichkeit verfügen würden.
Die Kreuzfahrtindustrie wolle weg vom Schweröl, betonte er. Das aktuell verwendete LNG gelte als Übergangskraftstoff, „der nicht nur jetzt echte Vorteile bietet, sondern die Voraussetzung schafft, dass LNG-fähige Schiffe künftige Generationen von nachhaltigen Schiffskraftstoffen nutzen können“, machte Grammersdorf deutlich.
Klimaneutrale Kreuzfahrten bis 2030 angekündigt
Wybcke Meier, Vorsitzende der Geschäftsführung bei der TUI Cruises GmbH, betonte ihre Unterstützung für die langfristigen Ziele des EU Green Deal und des Fit-for-55-Pakets der EU-Kommission. „Wir tragen damit zum nachhaltigen Wachstum in Europa bei“, sagte sie. Ziel sei es, bis 2050 die gesamte Flotte – Mein Schiff und Hapag-Lloyd Cruises – klimaneutral zu betreiben.
Bis 2030 wolle das Unternehmen bereits erste klimaneutrale Kreuzfahrten anbieten und absolute CO2-Emissionen signifikant reduzieren. Wann ein kompletter Verzicht auf Schweröl möglich ist, sei aktuell nicht zu sagen, so Meier. Dies sei auch eine Frage der Verfügbarkeit alternativer Kraftstoffe. Insbesondere die neueren Schiffe ihrer Flotte seien „methanol-ready“, so Meier, die einzige Frau in der Runde der Kreuzfahrtexperten.
Ausbau von Infrastruktur für Landstromnutzung
Felix Eichhorn, Präsident von Aida Cruises, verwies auf die Green-Cruising-Strategie mit der sein Unternehmen in einem nächsten Schritt anstrebe, das erste Zero-Emission-Schiff in Dienst zu stellen. Schon jetzt sei aber die CO2-Bilanz moderner Kreuzfahrtschiffe beachtlich. „Wir verbrauchen in einer Woche so viel CO2, wie ein One-Way-Flug von Hamburg nach Mallorca“, sagte der Vertreter des deutschen Markführers.
Eichhorn machte deutlich, dass die Kreuzfahrtschiffe 40 Prozent ihrer Zeit in Häfen lägen. Hier gelte es Landstrom zu nutzen, was aber einen weiteren Ausbau der entsprechenden Infrastruktur an Land erfordere. Derzeit gebe es in ganz Europa lediglich 20 derartig ausgestattete Liegeplätze.
Investitionen in Wassertankstellen und Schifffahrtswege
Aus Sicht der Flusskreuzfahrtunternehmen braucht es jetzt schon Investitionen in Wasserstoff-Tankstellen. Diese Investition sei zukunftsträchtiger als eine Transition-Technologie wie LNG, sagte Sascha Gill, Vizepräsident von IG RiverCruises.
Ganz wichtig für seine Branche seien aber auch Investitionen in die Schifffahrtswege. Es gebe Stellen, wo Kreuzfahrtschiffe bei Niedrigwasser nicht weiterfahren könnten – ebenso wenig wie die Cargo-Schiffe. „Dort muss das Flussbett ausgebaggert werden, damit auch bei Niedrigwasser gefahren werden kann“, forderte er.
Auffangsystem für flüssigen Wasserstoff
Michael Ungerer, Geschäftsführer des Kreuzfahrunternehmens Explora Journeys, das zur MSC Group gehört, sagte, bis 2050 wolle der Kreuzfahrtbetrieb keine Treibhausgasemissionen mehr verursachen. Explora Journeys habe vor kurzem Pläne für den Bau von zwei Luxuskreuzfahrtschiffen bekannt gegeben, die mit einem branchenweit einmaligen Auffangsystem für flüssigen Wasserstoff ausgestattet würden, „dass ihnen die Nutzung dieses vielversprechenden kohlenstoffarmen Kraftstoffs ermöglicht“.
Der Wasserstoff-Brennstoff werde eine Sechs-Megawatt-Brennstoffzellenanlage antreiben, die emissionsfreien Strom für den Hotelbetrieb erzeugt und es den Schiffen ermöglicht, im Hafen bei abgeschalteten Motoren „Null-Emissionen“ zu produzieren.
Nabu übt Kritik an Methan-Emissionen
Nabu-Vertreter Diesener räumte ein, dass gerade deutsche Anbieter zukunftstaugliche Projekte vorwiesen. Diese hätten allerdings weiterhin Pilotcharakter und fänden nur auf wenigen neuen Schiffen Anwendung. Etwa 50 Prozent der deutschen Kreuzfahrtflotte würden weiter auf hochschwefeliges Schweröl setzen, sagte er. Das sei der höchste Anteil aller Schifffahrtssektoren. „Nur etwa 18 Prozent der Containerflotte setzt weiter auf klassisches Schweröl“, so Diesener.
Neue Kreuzfahrtschiffe würden zwar mit „LNG dual fuel Motoren“ bestellt. Während damit die Luftschadstoffbilanz verbessert werden könne, sei aber eine Verbesserung der Treibhausgasbilanz technisch nicht möglich. Die reduzierten CO2-Emissionen würden durch Methanemissionen überkompensiert, so dass je nach Berechnung sogar eine verschlechterte Treibhausgasbilanz gegenüber Marinediesel realisiert werde, sagte der Nabu-Vertreter.
Verdi kritisiert Arbeitsbedingungen auf Kreuzfahrtschiffen
Auf die schlechten Arbeitsbedingungen insbesondere für ausländische Mitarbeiter auf den Kreuzfahrtschiffen machte Susana Pereira-Ventura von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufmerksam. Sie hätten oft befristete Verträge und seien ohne Arbeitsplatzsicherheit und praktisch ohne Sozialversicherungsschutz beschäftigt.
Während der Corona-Krise seien sie gänzlich ohne Unterstützung von Unternehmen oder staatlichen Beihilfen gewesen, so Pereira-Ventura. Über viele Jahre hinweg hätten die Reedereien ihre Verantwortung als Arbeitgeber an externe Personalvermittlungsagenturen mit Sitz außerhalb Deutschlands in Ländern wie Malta und Zypern delegiert, kritisierte die Verdi-Vertreterin. Dies habe zu einem Wettlauf nach unten geführt, „bei dem diese Unternehmen mitunter aktiv nach Möglichkeiten suchen, die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern, was direkt zum Sozialdumping in diesem Sektor beiträgt“.