Bugbemalung von Kreuzfahrtschiffen
Sicherlich ist Ihnen – beim Betrachten alter Passagierdampferfotos – auch schon einmal aufgefallen, dass die alten Passagierdampfer noch mit eintönigen Schiffsrümpfen bemalt waren. Es galt als sehr luxuriös, wenn Traditionsreedereien wie Hapag Lloyd oder die Cunard Line ausschließlich mit schwarzen Schiffsrümpfen daherkamen. Das war vor gut 125 Jahren, dem Beginn der Passagierschifffahrt.
Auch die legendäre Titanic hatte solch eine Farbgebung. Erst viel später, Anfang der 80iger Jahre wurden die Schiffe in der Außenbordbemalung am Rumpf etwas abwechslungsreicher, mal weiß, mal dunkelblau auch gern mit verschiedenen Decksbemalungen versehen.
Als vor über 30 Jahren dann die mittlerweile, kleinen Kreuzfahrtschiffe wie die Europa, die Berlin oder die Black Watch ihre Kreuzfahrten begannen, waren die Außenbordbemalungen damit schon etwas vielfältiger.
Ein Paukenschlag in der Kreuzfahrtbranche löste die Deutsche Seerederei GmbH 1996 aus, als sie ihr erstes Schiff die AIDA, die spätere AIDAcara bauen ließ und diesem einen knallroten Kussmund und Augen verpasste. So etwas hatte man selbst bei den amerikanischen Kreuzfahrtschiffen noch nie gesehen, die doch schon hier und da mal etwas mehr Farbe hatten, als die kleinen, deutschen Klassiker.
Wie kam es dazu? Der damalige Senior Vice President Operations und spätere President von AIDA Cruises, Michael Thamm, beauftragte 1994 den bekannten Theatergrafiker Feliks Büttner, einige Entwürfe für eine neuartige und einmalige Außenbordbemalung zu fertigen. Büttner, inzwischen selbst ein sehr profilierter Künstler, der sein Atelier bei Rostock aufbaute, überraschte mit einem einfachen, aber geradezu genialen Skizzenentwurf geschichtlichen Ursprungs. Seine Idee, einen knallroten Kussmund im Bereich des Bugteils.
Um seine Überlegungen und Ideenentwürfe nachzuvollziehen, muß man in der Historie forschen und erfährt, dass sowohl in der Ägyptischen wie auch in der äthiopischen Kunst dem Auge eine zentrale Bedeutung zukommt. Als dem „Auge des Salamon“ sprechen ihm die Äthiopier beispielsweise heilende Wirkung zu. Ostafrikanische Dhows tragen ein Auge am Bug als Talisman, damit das Schiff sicher durch die Meere fahre. Auch auf griechischen Schiffen ist es zu finden. In der ägyptischen Hieroglypensprache steht das Auge für ìr`. Übersetzt bedeutet das: „sehen und machen“. Auf AIDA bezogen steht es dann für Erlebnis und Aktivität. Die AIDAcara war somit das erste Schiff, die den roten Kussmund und den Namen der nubischen Prinzessin aus der Verdi-Oper über die sieben Meere trugen. Neu wie die Bugbemalung war das Konzept, mit dem die 1990 privatisierte Deutsche Seereederei sie auf die Reise schickte. Nach der Übernahme des Seekreuzfahrtsektors durch Carnival Corporation & plc übernahm die DSR den Markennamen A-ROSA auch für das Flusskreuzfahrtgeschäft. Infolgedessen benannte der neue Besitzer das Seekreuzfahrtschiff A-Rosa Blu 2004 in AIDAblu um. Das Farbdesign der Bugspitze der Schiffe, das einen roten Mund darstellt, wurde von beiden Unternehmen übernommen. Die Rose blieb als Markenzeichen nur bei der jetzigen A-ROSA Flussschiff GmbH Rostock erhalten.
AIDA Cruises ist das erste Kreuzfahrtunternehmen überhaupt, dass die Bugbemalung eingeführt hat und seit 1996 die Schiffe der AIDA Flotte mit dem roten Kussmund und den blauen Augen Farbe in die Welt der Hochseeschiffe bringen. Dabei hat jedes Schiff einen ganz individuellen Gesichtsausdruck. Je nach Form des Schiffsbugs, der Lage der Positionslichter und Ankerluken wird die Bemalung individualisiert und so gestaltet, dass sie auch dreidimensional optimal zur Wirkung kommt.
Einen weiteren Meilenstein der Außenbordbemalung legte 2009 TUI Cruises. Die Schiffsdesigner entschieden sich für ein edel wirkendes dunkelblau und beschrifteten die Außenbordwände großflächig mit Wörtern wie „Sternenhimmel“ oder „Wohlfühlen“. Die Branche lästerte, doch das TUI-Konzept setzte sich erfolgreich durch und nur zu oft sieht man Passagiere, die sich an der Pier vor „ihrem“ Wort fotografieren lassen. In den letzten Jahren wurden die Schiffe immer größer und bunter.
2015 ließ sich die Reederei Norwegian Cruise Line von dem Künstler Guy Harvey, der bekannt ist als Meerestierkünstler, für ihren Neubau Norwegian Escape einen Bemalungsentwurf anfertigen, der die spektakuläre Unterwasserwelt der Karibik mit all seinen Fischen zeigt.
Im Februar 2016 kündigte Princess Cruises ein neues Make-up in Form von blauen Wellen am Bug ihrer Schiffe an, damit diese künftig noch besser zu erkennen seien. So wird es auf den Meeren und in den Häfen immer bunter.
Auch große Hochseefähren, wie TT-Line oder Tallink, und kleine kombinierte Personen- und Fahrzeugfähren, wie zum Beispiel die polnische Personenfähre Orca, prägen immer mehr das „bunte“ Bild auf den Meeren. Es sind nicht nur Blickfänge sondern sie vermitteln Botschaften über die Reedereien, Heimatländer der Künstler und spiegeln die Sehnsucht nach Geborgenheit, ferne Kulturen und Träumen wieder.